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Elektrofachkraft in der Industrie

11. 07.

Um dem Fachkräftemangel zu entgegnen, bieten immer mehr Bildungsträger Ausbildungen zur „Elektrofachkraft Industrie“ oder „Geprüfte Elektrofachkraft“ an. Dabei soll innerhalb von ca. 9 Wochen die Qualifikation einer „Elektrofachkraft“ erlangt werden. Vergleichsweise werden dazu in den Ausbildungskriterien zur Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten (EFKffT), beschrieben im DGUV Grundsatz 303-001, für die Industrie und sonstige gewerbliche Bereiche insgesamt 18 Wochen für festgelegte Tätigkeiten bei der Instandhaltung von Produktionsanlagen vorgesehen. Zur Begründung wird dort angeführt, dass wegen der Komplexität der verschiedenen Tätigkeiten (insbesondere Instandhaltung, Inbetriebnahme, Kundendienst) die Ausbildung entsprechend konzipiert werden muss.

Im Klartext bedeutet dies, dass die Elektrofachkraft in der Industrie nur knapp die Hälfte der Qualifizierungszeit der EFKffT im Bereich Industrie zu absolvieren hat. Daher kann diese Qualifikation unter keinen Umständen höher oder gleichwertig wie die EFKffT im Bereich Industrie oder gar wie eine Elektrofachkraft eingestuft werden.

Wenn eine EFKffT mit 18 Wochen Qualifizierung im Bereich Industrie (Grundausbildung zzgl. Fachtheorie, Fachpraxis und betriebliche Qualifizierung) „nur“ gleichartige, sich wiederholende elektrotechnische Arbeiten[1] an Betriebsmitteln, die vom Unternehmer in einer Arbeitsanweisung festgelegt sind, durchführen darf, kann man von einer EFK in der Industrie mit 9 Wochen Qualifizierung kein fachgerechtes selbstständiges Planen, Durchführen und Kontrollieren im Bereich der Elektrotechnik erwarten.

Die Internationale Leitlinie zur Beurteilung der Befähigung von Elektrofachkräften von der ISSA (International Social Security Association) setzt für die verschiedenen Einsatzgebiete im Bereich der Elektrotechnik eine zum Teil bedeutend höhere Vermittlungsdauer voraus. Abschnitt 4 der Leitlinie stellt anhand von Beispielen den erforderlichen Umfang für die Vermittlung der theoretischen und praktischen Kenntnisse auf einzelnen elektrotechnischen Tätigkeitsgebieten dar. Die nachfolgende Tabelle 1 zeigt eine Zusammenfassung unter Angabe der dort empfohlenen Mindestzeiten.

Empfohlene Mindestzeiten zur Vermittlung der speziellen Kenntnisse und Erfahrungen Wochen
4.1 Allgemeine Niederspannungsinstallation 52
4.2 Installation elektrischer Anlagen in Gebäuden 12
4.3 Einsatz elektrischer Anlagen und Geräte unter besonderen
Umgebungsbedingungen oder mit besonderem Gefährdungspotential
18
4.4 Brand- und Explosionsschutz 18
4.5 Betrieb elektrischer Prüfanlagen 13
4.6 Erst- und Wiederholungsprüfung von elektrischen Verbrauchsmitteln 10
4.7 Erst- und Wiederholungsprüfungen von Installationsanlagen 16
4.8 Messen, Steuern und Regeln – Steuerungen/Automationstechnik 12

 

Quelle: Internationale Leitlinie zur Beurteilung der Befähigung von Elektrofachkräften von der ISSA

Zur Verdeutlichung: Eine neunwöchige Qualifizierung zur Elektrofachkraft in der Industrie entspricht den international empfohlenen Mindestzeiten zur Vermittlung spezieller Kenntnisse und Erfahrungen nicht einmal für einen einzelnen Teilbereich der Elektrotechnik.

Auch die VDE 1000-10 erläutert im Anhang A, dass es eine Elektrofachkraft, die umfassend für alle elektrotechnischen Arbeitsgebiete ausgebildet und qualifiziert ist, nicht gibt. So kann nicht ohne Weiteres eine Elektrofachkraft für das Arbeitsgebiet Elektromaschinenbau im Arbeitsgebiet von Hochspannungsanlagen oder eine Fernmeldefachkraft im Arbeitsgebiet der Niederspannungsinstallation tätig werden, weil dazu andere Kenntnisse und Erfahrungen erforderlich sind.

Wenn nach Auffassung des VDE selbst gelernte Fachkräfte, mit bspw. 3,5 Jahren Ausbildungszeit als Energieanlagenelektroniker, außerhalb ihres erlernten Fachbereichs nicht als Elektrofachkräfte gelten, können Mitarbeiter nach einer neunwöchigen Schulungsmaßnahme nicht als Elektrofachkraft ohne Konkretisierung des elektrischen Tätigkeitsbereichs anerkannt werden.

Mitarbeiter, die nicht den Kenntnisstand einer klassischen 3- bis 3,5-jährigen Berufsausbildung im elektrotechnischen Bereich erreichen, wie bspw. Elektrofachkraft in der Industrie oder Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten, können im Unternehmen kleinere elektrotechnische Tätigkeiten selbstständig und eigenverantwortlich verrichten, benötigen hierzu jedoch eine fachliche Führung mit eindeutigen Vorgaben und klaren Grenzen.

Die von Bildungsträgern für ihre Schulungen gewählten Titel bzw. Qualifizierungsbezeichnungen, für welche die Teilnehmer am Ende eine entsprechende Bescheinigung oder ein Zertifikat erhalten, können nicht einfach blindlings im Unternehmen übernommen oder als „somit gegeben“ anerkannt werden. Vielmehr ist es Aufgabe der Verantwortungsträger im Bereich der Elektrotechnik, die erworbene Zusatzqualifikation in Einklang mit elektrotechnischen Normen und Regelwerken (z. B. VDE 1000-10, VDE 0105-100, TRBS 1203, DGUV Information 203-002 usw.) zu bringen und den sicheren Einsatz sowie die Fachkunde der Mitarbeiter im Hinblick auf die auszuführenden Tätigkeiten entsprechend der anerkannten Regeln der Technik im Unternehmen zu beurteilen. Am Ende entscheidet die Verantwortliche Elektrofachkraft (VEFK) des Unternehmens über den Tätigkeitsumfang im Einzelfall, nicht der Unternehmer oder der disziplinarische Vorgesetzte und erst recht kein externer Schulungsanbieter.

Fazit

Eine über wenige Wochen durchgeführte Qualifizierung im elektrotechnischen Bereich ist keineswegs mit einer klassischen 3,5-jährigen Berufsgrundausbildung vergleichbar, somit kann dieser Weiterbildung/Qualifizierung auch unter keinen Umständen ein vergleichbarer Stellenwert eingeräumt werden. Mit Abschluss einer derartigen Weiterbildung/Qualifizierung ist kein Automatismus zur Erlangung der Qualifikation als Elektrofachkraft gegeben, wodurch die betreffende Person auch nicht als Elektrofachkraft eingesetzt werden sollte.

Mehr dazu: https://www.bghm.de/arbeitsschuetzer/fach-themen/elektrotechnik/positionspapier-elektrotechnik

Welcher unterschied besteht zwischen der verantwortlichen „Elektrofachkraft“ und der „Verantwortliche Elektrofachkraft (VEFK)“

Die aktualisierte VDE 1000-10 von Juni 2021 unterscheidet zwischen einer verantwortlichen „Elektrofachkraft“ und einer „Verantwortliche Elektrofachkraft (VEFK)“. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass grundsätzlich jede Elektrofachkraft jederzeit selbst für ihr fachliches Handeln verantwortlich ist. In den elektrotechnischen Regeln wird vereinzelt auch von einer (dafür zuständigen) verantwortlichen Elektrofachkraft gesprochen. Somit ist mit dem Begriff verantwortlichen „Elektrofachkraft“, die Elektrofachkraft gemeint, die für ihre Tätigkeiten und ihr Handeln die Verantwortung trägt. (VDE 1000-10 Abs. 4.1).  

In welchem Umfang sind Mitarbeiter zu unterweisen?

Der Unternehmer ist verpflichtet, Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit sicherzustellen. Die für die jeweiligen Bereiche eingesetzten Mitarbeiter müssen für ihre Aufgaben ausreichend qualifiziert und persönlich geeignet sein. Der Arbeitgeber hat nach Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) § 7 zu berücksichtigen, ob die Beschäftigten befähigt sind, die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Aufgabenerfüllung zu beachtenden Bestimmungen und Maßnahmen einzuhalten. Um dies zu gewährleisten hat er diese nach ArbSchG § 12, ausreichend und angemessen zu unterweisen. Die Unterweisung umfasst verschiedene Schritte, die nachfolgend anhand von Praxisbeispielen erläutert werden. 

In welchem Umfang sind Mitarbeiter zu unterweisen? 

Der Unternehmer ist verpflichtet, Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit sicherzustellen. Die für die jeweiligen Bereiche eingesetzten Mitarbeiter müssen für ihre Aufgaben ausreichend qualifiziert und persönlich geeignet sein. Der Arbeitgeber hat nach Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) § 7 zu berücksichtigen, ob die Beschäftigten befähigt sind, die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Aufgabenerfüllung zu beachtenden Bestimmungen und Maßnahmen einzuhalten. Um dies zu gewährleisten hat er diese nach ArbSchG § 12, ausreichend und angemessen zu unterweisen.

Wann müssen Fehlerstrom-Schutzschalter nachgerüstet werden?

Das Nachrüsten eines RCDs in Steckdosen- und Beleuchtungsstromkreisen, die vor Juni 2007 installiert wurden, lässt sich nicht ohne weiteres begründen. Erst die Umsetzung der Anforderungen u. a. der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) inkl. der aus der Gefährdungsbeurteilung des Betreibers geforderten Maßnahmen kann zu dem Entschluss führen, dass bezüglich des Betriebs von Steckdosen, die für Laien zugänglich sind, sich eine (aus der Beurteilung des Betreibers) resultierende Nachrüstung von Fehlerstromschutzeinrichtungen ergibt. 

Welche Arbeiten dürfen von elektrotechnischen Laien an elektrischen Anlagen ausgeführt werden?

Hier hat der Unternehmer/ Arbeitgeber als oberster Anlagenbetreiber die Verantwortung, im Sinne der Sicherheit aller Mitarbeitenden und auch Dritter, für eine sichere Anlage zu sorgen. Ihm obliegt damit die Pflicht, die betrieblichen Prozesse in geeigneter Weise zu organisieren, sodass die Arbeitssicherheit jederzeit gewährleistet ist und auch bleibt. Lediglich kleinere elektrische Tätigkeiten, wie z. B. das Auswechseln eines Leuchtmittels oder einer Schmelzsicherung, sind unter gewissen Voraussetzungen für den Laien  erlaubt. 

Kann eine Differenzstromüberwachung anstelle einer Isolationsmessung an Maschinen zum Einsatz kommen?

Die wiederkehrende Prüfung einer Maschine fällt in den Anwendungsbereich der DIN VDE 0105-100/A1. Die eigentliche »Maschinen-Norm« VDE 0113-1 gilt explizit nur für die Herstellung und die Erstprüfung von Maschinen, der spätere Betrieb ist hier nicht beschrieben. Die VDE 0113-1 enthält die Isolationsmessung auch nicht als verpflichtende Messung – dies ist eine Prüfung, die durchgeführt werden soll, wenn es aus Sicht des Herstellers sinnvoll er- scheint. 

Wann ist welche Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCCB) einzusetzen?

Bei einer Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCCB – Residual Current operated Circuit-Breaker) werden alle zu überwachenden Leiter durch einen Summenstromwandler geführt (außer der Schutzleiter). Der Summenstromwandler ist mit einer Auswerteeinheit verbunden, diese ist mit einem Auslöserelais verbunden, welches im Fehlerfall auslösen würde.

Was ist bei der Auswahl und dem Betrieb von Maschinen zu beachten?

Will man eine Maschine bauen, oder den elektrotechnischen Teil dazu beisteuern, müssen sich die Verantwortlichen mit der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG auseinandersetzen und die sicherheitsbezogenen Teile von Maschinensteuerungen nach der Norm DIN EN ISO 13849-1 auswählen und einsetzen. Dieses erfordert allerdings die Bestimmung des zu erfüllenden Performance Levels, was aber den Rahmen dieser Praxisfrage sprengen würde. Als Hilfe stellt das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) das Software-Tool SISTEMA (Sicherheit von Steuerungen an Maschinen) kostenlos zur Verfügung.

Wie sind ausländische Qualifikationsnachweise zu bewerten?

Mitarbeiter im Berufsfeld der Elektrotechnik tragen eine hohe Verantwortung. Andere Menschen ohne elektrotechnisches Fachwissen müssen auf die Aussagen des Elektrikers vertrauen können. Vom Arbeitgeber des Mitarbeiters wird erwartet, dass er die Delegation von Pflichten sorgfältig durchführt – der Mitarbeiter soll die ihm übertragenen Aufgaben auch fachkundig erfüllen können. Ist die Auswahl des Mitarbeiters mangelhaft, kann man dem Arbeitgeber ein Auswahlverschulden vorwerfen und ihn haftbar machen.  

Der Praxisbereich sozial