Die Globalisierung des Arbeitsmarktes ist in vollem Gang, auch im Handwerk. Doch es bleibt ein riesengroßes Problem: die Arbeitnehmer können zwar freizügig in Europa arbeiten, aber eine einheitliche Bewertung der Qualifizierung und der Berufsabschlüsse gibt es noch nicht.
Mitarbeiter im Berufsfeld der Elektrotechnik tragen eine hohe Verantwortung. Andere Menschen ohne elektrotechnisches Fachwissen müssen auf die Aussagen des Elektrikers vertrauen können. Vom Arbeitgeber des Mitarbeiters wird erwartet, dass er die Delegation von Pflichten sorgfältig durchführt – der Mitarbeiter soll die ihm übertragenen Aufgaben auch fachkundig erfüllen können. Ist die Auswahl des Mitarbeiters mangelhaft, kann man dem Arbeitgeber ein Auswahlverschulden vorwerfen und ihn haftbar machen.
Nicht ohne Grund ist das Elektrohandwerk auch ein Gefahrenhandwerk – man muss sehr genau hinsehen wer darin tätig sein darf. Der Gesetzgeber hat Mindestanforderungen formuliert, die elektrotechnisch tätige Personen erfüllen müssen – vor allem, wenn es um den Nachweis der elektrischen Sicherheit geht, also das Prüfen. Wichtigster Baustein ist die TRBS 1203 »Zur Prüfung befähigte Personen«, die Anforderungen an Personen festlegt, die den Nachweis der elektrischen Sicherheit bei Geräten, Anlagen und Maschinen nach BetrSichV § 2(6) erbringen können. Die Berufsausbildung ist dabei einer von drei Bausteinen: Neben der Berufsausbildung müssen auch Berufserfahrung und eine zeitnahe berufliche Tätigkeit nachgewiesen werden. Die Bewertung der Bausteine Berufserfahrung und der zeitnahen beruflichen Tätigkeit kann nicht mit standardisierten Dokumenten belegt werden – dass muss jede/r Vorgesetze selbst erkennen. Somit wird deutlich, dass die Dokumente eines Bewerbers im Grunde nur 1/3 seiner Eignung abbilden können, nicht mehr!
Definition »Der Elektriker«
Es gibt nicht »den« Elektriker. Die nachgewiesene Berufsausbildung kann also immer nur der Basis- Baustein sein, um darauf eine weitergehende Qualifizierung und Spezialisierung aufzusetzen. Der Unternehmer muss also bewerten, wie gut der Bewerber zum Stellenprofil passt und ob er die Definition der VDE 1000-10 für Elektrofachkräfte ausreichend erfüllt. Hier heißt es im Abschnitt 3.2 Elektrofachkraft: »Person, die aufgrund ihrer fachlichen Ausbildung, Kenntnisse und Erfahrungen sowie Kenntnis der einschlägigen Normen die ihr übertragenen Arbeiten beurteilen und mögliche Gefahren erkennen kann.
Anmerkung: Zur Beurteilung der fachlichen Ausbildung kann auch eine mehrjährige Tätigkeit auf dem betreffenden Arbeitsgebiet herangezogen werden.«
Die grundsätzlichen Inhalte spiegeln sich z.B. im ISSA-Leitfaden »Leitlinie zur Beurteilung der Befähigung von Elektrofachkräften« wieder.
Zahlreiche Bewertungsoptionen
So ganz allein steht man bei der Bewertung von Qualifikationsnachweisen nicht da. Auf manchen Nachweisen sind standardisierte Bezeichnungen verwendet. International haben sich verschiedene Bewertungsmaßstäbe mit unterschiedlichen Zielen durchgesetzt insbesondere:
- Der NVQ-Level (National Vocational Qualification)
- Berufsklassifikation nach ISCO-Standard
- ISCO Skill Level
In Deutschland werden Berufe in der KldB (Klassifikation der Berufe) beschrieben. Diese Einteilung wird von der Bundesagentur für Arbeit weiterentwickelt, aktuell ist der Stand von 2010. Elektrotechnische Hilfs- und Fachkräfte sind den Gruppen 262 und 263 zuzuordnen. Das aktuelle Verzeichnis der Bundesagentur für Arbeit findet sich im Internet mit den Suchworten »KldB 2010«. Eine verkürzte Beschreibung der KldB ist auch die Berufskennzahl, die auch bei der Bundesagentur für Arbeit verwendet wird.
Ein guter Weg zur Bewertung der Qualifikation ist die formale Anerkennung der Gleichwertigkeit. Über die Webseite www.anerkennung-in-deutschland.de lässt sich für das Berufsfeld die zuständige Stelle finden, die eine Bewertung der vorhandenen Qualifikationsnachweise vornehmen kann. Auch eine Telefon-Hotline ist für Fragen um die Anerkennung geschaltet. Diese Stelle ist nicht nur für außereuropäische Qualifikationsnachweise ansprechbar, sondern für alle. Allerdings ist das Verfahren langwierig und teilweise nicht ganz günstig.
Es wird bei der Anerkennung der Gleichwertigkeit auch die Berufserfahrung in die Bewertung mit einbezogen, also der zweite wichtige Baustein zur Bewertung der Qualifikation. Die entsprechenden Stellen bieten individuell abgestimmte Anpassungslehrgänge nach Berufsqualifikationsgesetz (BQFG) an, die bis zu zwei Jahren dauern.
Alternative Bewertungsmöglichkeiten
Im direkten Gespräch kann der zukünftige Arbeitgeber die fachliche Eignung prüfen. Die Beweislast für die Überprüfung liegt beim Arbeitgeber! Es empfiehlt sich auf jeden Fall die wichtigsten Ergebnisse zu dokumentieren. Man sollte vorher ein paar Punkte zusammentragen, die abgefragt werden sollen. Das Fachgespräch eignet sich insbesondere auch um einen Eindruck zur Sprachkompetenz zu bekommen. Auch hier trifft den Arbeitgeber die Beweislast für das ordnungsgemäße Handeln.