Ein Produkt wird in Verkehr gebracht, wenn es erstmalig auf dem Unionsmarkt bereitgestellt wird. Dies erfolgt entweder durch einen Hersteller oder einen Einführer, die folglich die einzigen Wirtschaftsbeteiligten sind, die Produkte in Verkehr bringen. Stellt ein Hersteller oder Einführer ein Produkt einem Händler oder Endbenutzer erstmalig bereit, wird dies rechtlich stets als „Inverkehrbringen“ bezeichnet. Alle nachfolgenden Tätigkeiten, z. B. Weitergabe von Händler zu Händler oder von einem Händler an einen Endbenutzer, werden als Bereitstellung bezeichnet.
Was die „Bereitstellung“ angeht, so bezieht sich das Inverkehrbringen nicht auf eine Produktart, sondern auf jedes einzelne Produkt, unabhängig davon, ob es als Einzelstück oder in Serie hergestellt wurde. Daher muss jedes einzelne Produkt eines Produktmodells oder einer Produktart, das nach dem Inkrafttreten neuer Anforderungen in Verkehr gebracht wird, diese erfüllen, auch wenn die Bereitstellung des Produktmodells oder der Produktart vor dem Inkrafttreten neuer Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union mit neuen obligatorischen Anforderungen erfolgte.
Das Inverkehrbringen eines Produkts setzt ein Angebot oder eine (schriftliche oder mündliche) Vereinbarung zwischen zwei oder mehr juristischen oder natürlichen Personen in Bezug auf die Übertragung des Eigentums, des Besitzes oder sonstiger Rechte hinsichtlich des betreffenden Produkts nach dessen Herstellung voraus. Diese Übertragung kann entgeltlich oder unentgeltlich erfolgen, was nicht zwingend die physische Übergabe des Produkts erfordert.
In folgenden Fällen handelt es sich nicht um ein Inverkehrbringen:
- wenn das Produkt für den Eigenbedarf hergestellt wurde;
- wenn das Produkt von einem Verbraucher bei einem Aufenthalt in einem Drittland erworben wurde und von diesem Verbraucher für seinen persönlichen Gebrauch in die EU eingeführt wurde;
- wenn ein Hersteller aus einem Drittland ein Produkt seinem in der Union niedergelassenen Bevollmächtigten überlässt, den er damit beauftragt hat, dafür zu sorgen, dass das Produkt die Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union erfüllt;
- wenn das Produkt als Durchfuhrware aus einem Drittland in das Zollgebiet der EU eingeführt wurde, in Freizonen, Freilagern oder Zolllagern gelagert oder anderen besonderen Zollverfahren;
- wenn das Produkt in einem Mitgliedstaat für den Export in ein Drittland hergestellt wurde;
- wenn noch als in der Herstellungsphase befindlich erachtete Prototypen zu Erprobungs- oder Validierungszwecken übertragen werden;
- wenn das Produkt unter kontrollierten Bedingungen auf Fachmessen, Ausstellungen oder Demonstrationsveranstaltungen gezeigt wird oder
- wenn sich das Produkt im Lager des Herstellers oder des Einführers befindet, wo es noch nicht bereitgestellt wird, also nicht für Handel, Verbrauch oder Verwendung zur Verfügung steht.
Im Hinblick auf die Anwendung der Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union stellt das Inverkehrbringen den wichtigsten Zeitpunkt dar. Wenn Produkte auf dem Markt bereitgestellt werden, müssen sie den zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens anzuwendenden Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union entsprechen. Somit müssen in der Union hergestellte neue Produkte und alle aus Drittländern importierten neuen oder gebrauchten Produkte den Bestimmungen der anzuwendenden Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union entsprechen, wenn sie in Verkehr gebracht, d. h. erstmalig auf dem Unionsmarkt bereitgestellt werden. Konforme Produkte können daher, sobald sie in Verkehr gebracht wurden, ohne zusätzliche Erwägungen in der Lieferkette bereitgestellt werden, auch wenn die geltenden Rechtsvorschriften oder einschlägigen harmonisierten Normen überarbeitet werden sollten, sofern dies in den Rechtsvorschriften nicht anders angegeben ist.
Quelle: Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“)