Wie ist die Wiederholungsprüfung an Geräten der Informationstechnik (ICT-Geräte) der Schutzklasse 1 durchzuführen, die über keinen erkennbaren Schutzleiter verfügen?
Es ist gerade etwas unübersichtlich bei Geräten der Informationstechnik (ICT-Geräte) im Hinblick auf die anzuwendende Produktnorm. Die aktuelle DIN EN IEC 62368-1 ist nicht unter der Niederspannungsrichtlinie gelistet, somit ist immer noch die DIN EN 62368-1:2014 (VDE 0868-1:2016-05) für die Sicherheit maßgeblich.
Bei den durch den Betreiber veranlassten Prüfungen nach VDE 0701 ist es derzeit nicht besser – beide Normen klammern ICT-Geräte im Anwendungsbereich aus. Und es gibt keine eigenständige und anwendbare Norm zur wiederkehrenden Prüfung von ICT-Geräten. Somit bleibt dem Betreiber nichts anderes übrig als per Gefährdungsbeurteilung Prüfungen analog zur VDE 0701 durchzuführen.
Die anzuwendende VDE 0868-1, die sich ausschließlich an den Hersteller richtet, beschäftigt sich auf 380 Seiten mit den Sicherheitsanforderungen an ICT-Geräte und ermöglicht eine solche Konstruktion. Man bettet ein SK I-Gerät (das Netzteil) in eine isolierte Struktur ein. Das muss von außen nicht einmal erkennbar sein!
Es genügt, wenn die isolierte Struktur dann einige Kilovolt Isolationsmessspannung und ein paar Stoßspannungstests überlebt. Und dieses Konstrukt wird dann in einen 19“-Gehäuse gesetzt, dass selbstverständlich aus Metall ist und „üblicherweise“ geerdet wird.
Von außen ist dann nicht erkennbar, dass die Versorgungsspannung über den Kaltgerätstecker so gekapselt ist, dass keine Gefährdung nach außen kommen kann. Das SK-I- Gerät ist u.U. nicht mal mehr berührbar und die Teile des 19“-Gehäuse sehen nur eine (quasi-)schutzgetrennte Kleinspannung bei der kein Schutzpotentialausgleich nötig ist.
Die Trennung von Erdverbindungen ist auch in der ICT-Gerätenorm so beschrieben, etwa im Abschnitt 5.7.4 mit Verweis auf die IEC 60990 in der es darum geht Berührströme im ersten Fehlerfall nachweislich zu vermeiden.
Bei allen ICT-Geräten ist der Nachweis zu führen (nach Abschnitt 5.7.4) dass jede Unterbrechung eines Schutzleiters oder einer Erdung nicht zu einem gefährlichen Berührungsstrom führt. Man kann diese Prüfung nach IEC 60990 durchaus vergleichen mit einer Schutzleiterstrom-Messung im direkten Verfahren. Dabei werden aber dann auch wieder etwas genauer spezifizierte Grenzwerte angewendet, die sogenannten ES2-Grenzwerte. Auch dies lässt sich vereinfacht mit den bekannten Grenzen von 3,5 mA und 25 bzw. 50 V vergleichen. Tatsächlich werden hier bei der Bewertung noch mehr Faktoren mathematisch berücksichtigt, etwa Frequenz, Scheitel- und Effektivwerte der Spannung und Einwirkdauer.
Kurz gesagt: Ein Einzelfehler darf nicht zu einem gefährlichen Zustand führen. Konstruktiv. Ein Einzelfehler wäre auch eine Unterbrechung des Schutzleiters.
Zusammenfassung
Die Möglichkeiten der zulässigen Schutzkonzepte in der DIN EN 62368-1 machen es einer befähigten Person nahezu unmöglich zur Geräteprüfung ein ICT-Gerät wirklich zu beurteilen. Es sind mittlerweile von außen so absurd wirkenden Konstruktionen möglich dass außer dem Hersteller kaum mehr jemand etwas sinnvolles dazu sagen kann.
Michael Lochthofen, MEBEDO Consulting GmbH, Montabaur