Der Gesetzgeber verpflichtet alle Beschäftigte gemäß § 16 ArbSchG wie folgt:
(1) Die Beschäftigten haben dem Arbeitgeber oder dem zuständigen Vorgesetzten jede von ihnen festgestellte unmittelbare erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit sowie jeden an den Schutzsystemen festgestellten Defekt unverzüglich zu melden.
(2) Die Beschäftigten haben gemeinsam mit dem Betriebsarzt und der Fachkraft für Arbeitssicherheit den Arbeitgeber darin zu unterstützen, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit zu gewährleisten und seine Pflichten entsprechend den behördlichen Auflagen zu erfüllen. Unbeschadet ihrer Pflicht nach Absatz 1 sollen die Beschäftigten von ihnen festgestellte Gefahren für Sicherheit und Gesundheit und Mängel an den Schutzsystemen auch der Fachkraft für Arbeitssicherheit, dem Betriebsarzt oder dem Sicherheitsbeauftragten nach § 22 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch mitteilen.
Hieraus folgt, dass der Delegationsempfänger im Rahmen der eigenen Feststellungen zu erkennen hat, ob die Gegebenheiten in dem ihr übertragenen Verantwortungsbereich überhaupt sicher gehandhabt werden können. Steht der mögliche Eintritt einer Gefährdung unmittelbar bevor, dann ist zwingend die vorgesetzte Stelle zu informieren. Laut der Technischen Regel für Betriebssicherheit TRBS 1111 „Gefährdungsbeurteilung“ ist Gefährdung die Möglichkeit eines Gesundheitsschadens oder einer gesundheitlichen Beeinträchtigung ohne bestimmte Anforderungen an deren Ausmaß oder Eintrittswahrscheinlichkeit. Dies bedeutet, dass jedwede Verschlechterung einer als sicher zu beurteilender Ausgangslage eine entsprechende Handlungspflicht nach § 16 Abs 1 ArbSchG bedingt. Dieses wird durch die Formulierung „sowie jeden an den Schutzsystemen festgestellten Defekt“ untermauert. Die Warnmeldung hat unverzüglich, also sofort, zu erfolgen.
Der Absatz 2 des vorgenannten Paragrafen weist darauf hin, dass in solchen Konstellationen auch eine Meldung an die Fachkraft für Arbeitssicherheit, die betriebsärztliche Abteilung und/oder die Sicherheitsbeauftragten erfolgen soll. Dieses mit dem Ziel, dass die Sicherheitsdefizite/Gefährdungen im Arbeitsschutzausschuss thematisiert, gewichtet und behoben werden.
Was ist der Arbeitsschutzausschuss?
Gemäß § 11 Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) hat der Arbeitgeber einen Arbeitsschutzausschuss zu bilden, der sich zusammen setzt aus:
- dem Arbeitgeber oder einem von ihm Beauftragten,
- zwei vom Betriebsrat/Personalrat bestimmten Mitgliedern,
- Betriebsärzten,
- Fachkräften für Arbeitssicherheit und
- Sicherheitsbeauftragten.
Der Arbeitsschutzausschuss hat die Aufgabe, Anliegen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung zu beraten (ebenfalls im § 11 ASiG). Hierzu gehört unter Berücksichtigung der jeweiligen betrieblichen Gegebenheiten u. a.:
- Maßnahmen für besondere Personengruppen (z. B. geringfügig Beschäftigte, Auszubildende, neue Mitarbeiter, Schwerbehinderte, ausländische Arbeitnehmer) zu beraten,
- Investitionen für den betrieblichen Arbeitsschutz zu erörtern,
- das betriebliche Unfallgeschehen einschließlich der arbeitsbedingten Erkrankungen regelmäßig auszuwerten,
- Vorschläge für betriebliche Arbeitsschutzmaßnahmen zu erarbeiten,
- Vorschläge für die Durchführung betrieblicher Arbeitsschutz-Schwerpunktprogramme (z. B. Innerbetrieblicher Transport, Ordnung und Sauberkeit, Hautschutz, Erste Hilfe) zu beraten,
- sich an der Durchführung und Auswertung der regelmäßigen Betriebsrundgänge zu beteiligen,
- die Ergebnisse der Gefährdungsermittlung und -beurteilung zu beraten,
- Vorschläge zur Belobigung von Mitarbeitern, die sich um die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz besonders verdient gemacht haben, zu unterbreiten,
- Vorschläge für die Beteiligung an überbetrieblichen Arbeitsschutzkampagnen zu beraten.
Der Arbeitsschutzausschuss tritt mindestens einmal vierteljährlich zusammen und die Sitzungsergebnisse sind zu protokollieren. Das Protokoll kann in einem Schadensfall als gerichtstaugliches Beweisdokument genutzt werden, da es die Kenntnis von bestehenden Sicherheitsmängeln bis in die höchste Leitungsebene belegt.
Fazit:
Es gibt keine rechtswirksame Verantwortungsübertragung, ohne dass die entsprechenden Umsetzungsmöglichkeiten zur Gestaltung der Gegebenheiten leistbar sind. Ist diese nicht der Fall, ist umgehend und eindringlich Meldung an die vorgesetzte Stelle zu machen und zeitgleich zu entscheiden, ob die konkrete Situation es zulässt, dass ohne weitere Sicherungsmaßnahmen sicher gearbeitet werden kann bzw. ob es überhaupt möglich ist dort sicher zu arbeiten.
Autoren
Stefan Euler (VDE und VDI) Geschäftsführer der MEBEDO Akademie GmbH und MEBEDO Consulting GmbH, Montabaur sowie geprüfter Sachverständiger Elektrotechnik des BDSH e.V.