Aktuell befindet sich der Markt im Bereich der Sachversicherungen größerer Gewerbe- und Industrieobjekte sowie kommunaler Risiken in einer Umbruchsituation. Bedingt durch die in den letzten Jahren ungewöhnlich starken Preissteigerungen im Bau- und Anlagenbereich steigen die Kosten der Schadenregulierungen massiv an. Die Folge sind Preiserhöhungen bei den Versicherungsprämien, aber auch gestiegene Anforderungen im Bereich der Schadenprävention. Hierbei kommt der Sicherheit elektrischer Anlagen eine besondere Bedeutung zu. Die elektrischen Anlagen verursachen statistisch gesehen seit vielen Jahren die meisten Brandschäden. Instandhaltungsmängel oder mangelhaft errichtete Anlagen beinhalten ein massives Schadenspotential. Keine andere technische Einrichtung wird aktuell bei der Risikobewertung der Sachversicherer kritischer betrachtet. Im Rahmen der Versicherung eines Industriebetriebs wird der Kunde im Versicherungsvertrag üblicherweise verpflichtet, seine elektrischen Anlagen durch einen vom VdS anerkannten Sachverständigen jährlich prüfen zu lassen. Der Umfang der Prüfung ist in der VdS 2871 festgelegt, der Sachverständige hat einen Befundschein (VdS 2229) auszustellen, dieser ist dem Versicherer zuzusenden. Fehlende Prüfungen elektrischer Anlagen oder die wiederkehrende Einreichung von Befundscheinen mit ausgewiesenen gravierenden Mängeln beim Sachversicherer stellen heute die Versicherbarkeit eines Betriebes grundsätzlich in Frage.
Bei der Risikobewertung stehen die Sachversicherer heute vor vielfältigen Herausforderungen. Zum einen sind die o. g. Preissteigerung zu berücksichtigen, zum anderen kommen neuen Risiken durch inzwischen baurechtlich geforderte PV-Anlagen auf Dächern von Industrie, Gewerbe, kommunalen Objekten, elektrisch betriebener Heizungsanlagen oder einer Ladeinfrastruktur für Straßenfahrzeuge hinzu. Auf einigen Dächern befinden sich heute PV-Analgen, deren Komponenten ihre zum Errichtungszeitpunkt geplante Lebensdauer erreicht oder bereits überschritten haben (Ü-20 PV-Anlagen). Eine objektive Bewertung der daraus resultierenden Risiken und ggf. Ertüchtigungen der Anlagen ist erforderlich.
Bei dieser Bewertung spielen heute neu entwickelte und auf dem Markt verfügbare Dachbaustoffe und Schutztechniken für PV-Anlagen eine wesentliche Rolle, z. B. Wechselrichter mit Lichtbogendetektions- und Abschaltsystemen. Diese technischen Möglichkeiten fließen zurzeit in die Normung und die Richtlinien ein. So werden aktuell die VDE 0100-712 sowie die VdS 6023 und 3145 überarbeitet.
Ein weiterer Aspekt für die brandschutztechnische Bewertung eines Betriebes ist der Umgang mit Akkus von u. a. Powertools, E-Bikes und innerbetrieblichem Transport. Hier werden bei Betriebsbegehungen immer wieder mangelhaft aufgestellte Ladestationen vorgefunden und oftmals wird das Risiko einer Brandentstehung durch einen defekten Akku völlig falsch eingeschätzt. Ebenso regelmäßig tauchen Flurförderzeuge oder deren Ladegeräte in Schadenmeldungen der Versicherer als Schadenursache auf. Insbesondere in Lagerbereichen kann der Abbrand eines akkubetriebenen Gerätes oder eines Flurförderzeuges auch ohne direkte Brandeinwirkung auf das Gebäude oder das Lagergut einen Totalschaden der eingelagerten Waren sowie aufwändige Reinigungsarbeiten verursachen.
Die Vorgaben der Sachversicherer sind in vielen Betrieben unbekannt oder werden nicht mit der notwendigen Konsequenz umgesetzt. Beispielhaft sei hier die VdS Richtlinie 2259 Stand 2023-05 „Batterieladeeinrichtungen elektrisch angetriebener Flurförderzeuge und mobiler Arbeitsmaschinen“ genannt.
Autor:
Dipl.-Ing. (FH) Lutz Erbe ist Mitarbeiter der Schadenprävention
der VGH Versicherungen Hannover sowie VdS anerkannter Sachverständiger und öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger