In welchem Umfang sind Arbeitsfreigaben gefordert?
Die Forderung nach einer schriftlichen Arbeitsfreigabe findet sich in diversen Regelwerken. Anbei drei Beispiele:
Feuergefährliche Arbeiten
Anhang I Nr. 1.4 Abs. 2 der Gefahrstoffverordnung fordert, dass „in Arbeitsbereichen mit Gefahrstoffen, die zu Brand- oder Explosionsgefährdungen führen können, bei besonders gefährlichen Tätigkeiten und bei Tätigkeiten, die durch eine Wechselwirkung mit anderen Tätigkeiten Gefährdungen verursachen können, ein Arbeitsfreigabesystem mit besonderen schriftlichen Anweisungen des Arbeitgebers anzuwenden ist. Die Arbeitsfreigabe ist vor Beginn der Tätigkeiten von einer hierfür verantwortlichen Person zu erteilen.“
In der TRBS 1112 Teil 1 “Explosionsgefährdungen bei und durch Instandhaltungsarbeiten – Beurteilungen und Schutzmaßnahmen” heißt es unter Punkt 5.3, dass der Arbeitgeber „in Abhängigkeit der Gefährdungsbeurteilung ein Arbeitsfreigabesystem (z.B. Erlaubnisschein, schriftliche Anweisung, Arbeitsfreigabe) vorzusehen hat. Der Erlaubnisschein kann sich auf mehrere Arbeitsbereiche beziehen, sofern gleichartige Arbeitsbedingungen bestehen und gleichartige wirksame Schutzmaßnahmen festgelegt sind. Die Arbeitsfreigabe ist vor Beginn der Arbeiten von einer hierfür verantwortlichen Person zu erteilen.“
Die TRGS 500 fordert im Abschnitt Abs. 8.2.1 Punkt 3 dass „für die Durchführung von Feuerarbeiten die zu treffenden Schutzmaßnahmen im Rahmen eines Erlaubnisverfahrens festzulegen und umzusetzen sind. Dies beinhaltet auch Maßnahmen, die über die eigentliche Durchführung von Feuerarbeiten hinausgehen, z. B. Brandsicherheitswachen.“
Weitere Anforderungen ergeben sich teilweise aus dem Vorschriften- und Regelwerk der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. In der DGUV Regel 100-500 Betreiben von Arbeitsmitteln, heißt es im Kapitel 2.26 Schweißen, Schneiden und verwandte Verfahren: „Können durch das Entfernen brennbarer Stoffe und Gegenstände eine Brandentstehung nicht verhindert und eine explosionsfähige Atmosphäre nicht ausgeschlossen werden, hat der Unternehmer ergänzende Sicherheitsmaßnahmen in einer Schweißerlaubnis schriftlich festzulegen und für deren Durchführung zu sorgen.“ Ein entsprechendes Muster für eine Schweißerlaubnis ist dem gleichen Kapitel zu entnehmen.
Quelle: DGUV Regel 100-500
Arbeiten in engen Räumen und Silos
Bei Arbeiten in engen Räumen und Silos ist mit besonderen Gefährdungen zu rechnen. Diese können, wie in unserem Praxisbeispiel, durch biologische Vorgänge, z. B. Gärung, Fäulnis oder durch Stoffe und Gemische entstehen, die sich in dem Behälter befinden. Auch die anzuwendenden Arbeitsverfahren z. B. Schweißen, Schleifen, Reinigen mit Flüssigkeiten oder Feststoffen können eine Gefährdung verursachen. Unter Umständen ist mit Sauerstoffmangel zu rechnen, der durch Inertgase auftreten kann, die zum Spülen verwendet wurden, oder durch Stoffe (auch Behältermaterial), die den Sauerstoff absorbieren, chemisch oder physikalisch binden oder verdrängen. Zum Teil entstehen auch besondere Gefährdungen durch Einrichtungen, die in den Behältern und engen Räumen bestehen wie z. B. bewegliche Teile Misch-, Zerkleinerungs-, Auflockerungs-, Förder- oder Lüftungseinrichtungen. Eine weitere nicht zu vernachlässigende Gefährdung entsteht durch die psychischen Belastungen begründet in der räumlichen Enge, die unter Umständen großen Höhen, z. B. in Silos oder Schächten und die eingeschränkte Sicht und Verbindung zur Außenwelt.
All diese Faktoren sind im Vorfeld, vor Beginn der Arbeiten zu berücksichtigen und zu bewerten. Aus diesem Grund fordert die DGUV Regel 113-004 Behälter, Silos und enge Räume im Abs. 4.2.6, dass „vor Beginn der Arbeiten in Behältern, Silos und engen Räumen die verantwortliche Person (Unternehmer/-in bzw. Beauftragte/r) einen Erlaubnisschein auszustellen hat, in dem die erforderlichen Schutzmaßnahmen festgelegt sind. Aufsichtführende, Sicherungsposten und – sofern vorhanden – Verantwortliche eines Fremdunternehmens (Auftragnehmers) haben durch Unterschrift auf dem Erlaubnisschein die Kenntnis über die festgelegten Maßnahmen zu bestätigen.“
Elektrotechnische Arbeiten
Bei Arbeiten an elektrischen Anlagen ist immer mit besonderen Gefährdungen zu rechnen. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass man Strom nicht sehen kann, seine Auswirkungen jedoch tödlich sein können. Aus diesem Grund sollten Arbeiten an elektrischen Anlagen grundsätzlich im spannungsfreien Zustand ausgeführt werden. Dieser wird durch die Anwendung der sogenannten „fünf Sicherheitsregeln“ erreicht. Erst nach Abschluss dieser Maßnahmen kann eine elektrische Gefährdung ausgeschlossen werden. Ungefähr 65% der im Zeitraum von 2015 bis 2019 der BG ETEM gemeldeten Stromunfälle, waren in der nicht Einhaltung der „fünf Sicherheitsregeln“ begründet. Aus diesem Grund fordern die Regelwerke schon seit Jahren die Anwendung eines Freigabesystems für Arbeiten an elektrischen Anlagen.
Die VDE 0105-100 Betrieb von elektrischen Anlagen, legt im Abs. 4.3.1 folgendes fest: „Jede elektrische Anlage, an der gearbeitet wird, muss unter der Verantwortung eines Anlagenverantwortlichen stehen. Der Anlagenverantwortliche vergibt für diesen Teil der Anlage die Durchführungserlaubnis an den Arbeitsverantwortlichen. Erforderlichenfalls können durch den Anlagenverantwortlichen einige mit dieser Verantwortung einhergehende Verpflichtungen auf andere Personen übertragen werden.“
Die Durchführungserlaubnis wird gemäß Abs. 3.4.9 als eine Genehmigung definiert, um die geplante Arbeit durchzuführen, die eine eindeutige Anweisung in schriftlicher oder mündlicher Form beinhaltet.
Auch wenn die Norm die Erteilung einer mündlichen Durchführungserlaubnis zulässt, sollte diese nur bei einfachen Arbeiten zur Anwendung kommen. Im weiten Verlauf des Abs. 4.3.1 heißt es „Die Vorbereitung komplexer Arbeiten muss schriftlich erfolgen.“ Das gleiche gilt für Arbeiten an Anlagen mit einem erhöhten Gefährdungspotential, wie z. B. Hochspannungsschaltanlagen. Abs. 6.2.6 legt hierzu fest: „Zur Vermeidung von Missverständnissen sollten für Arbeiten an Hochspannungsanlagen Einzelheiten über Freischaltungen und Erdungs- und Kurzschließmaßnahmen schriftlich festgelegt werden.“
Auch bei Tätigkeiten mit einem erhöhten Gefährdungspotential, wie zum Beispiel dem „Arbeiten unter Spannung“ Sollte die Art der Arbeit, der Ort, sowie die möglichen Auswirkungen auf die Anlage abgestimmt werden. Diese Abstimmung hat entsprechend Abs. 6.3.8.3.101 „bei komplexen Arbeiten schriftlich gemäß den Festlegungen der Arbeitsanweisung zu erfolgen. Danach erteilt der Anlagenverantwortliche die Durchführungserlaubnis. Der Arbeitsverantwortliche hat vor Beginn der geplanten Arbeiten an der Arbeitsstelle den Anlagenzustand und die Umgebungsbedingungen (z. B. räumliche Enge, Regen, Gewitter) zu bewerten. Kommt er hierbei zu der Überzeugung, dass die geplanten Arbeiten sicher durchführbar und die Anforderungen der Arbeitsanweisung erfüllt sind, darf er die Freigabe zur Arbeit nach vorheriger Einweisung der beteiligten Personen erteilen.“
Fazit
„Wer schreibt, der bleibt“, Möchte man im Schadensfall alle Trümpfe in der Hand halten, muss man seine „Papierallergie“ ablegen und Verantwortlichkeiten klar niederschreiben und schriftlich übertragen. Nutzen Sie dafür den Stand der Technik. App’s wie Check-it erleichtern die Dokumentenerstellung und sparen dadurch Zeit, Geld und Nerven.
Quelle: Check-it (www.checkitapp.de)
Infobox: Gültigkeit elektronischer Gegenzeichnungen:
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) kennt neben der Schriftform (§ 126 BGB) auch die elektronische Form (§ 126 a BGB) und die Textform (§ 126b BGB). § 127 BGB regelt zu der Überschrift „Vereinbarte Form“, dass die Parteien im wechselseitigen Miteinander „die an die zur Wahrung der Form zu stellenden Anforderungen selbst bestimmen“.
Einer der zentralen Grundgedanken unserer Zivilrechtsordnung ist die sogenannte Vertragsautonomie. Hiernach können die Parteien miteinander verbindlich verabreden welche rechtlichen Regelungen zwischen ihnen gelten sollen. Die Vertragsautonomie ist dann zulässig, wenn nicht ausdrücklich anderslautende gesetzliche Bestimmungen vorrangig zu beachten sind. So erfolgt beispielhaft die Quittierung des Empfangs einer Sendung gegenüber dem Post- oder Paketboten auf einem Unterschriftspad rechtlich als Erklärung in Textform.
Die Textform erfüllt keine der gängigen Formzwecke (z. B. Warn-, Beweis- oder Identifikationsfunktion). Sie gewährleistet aber, dass die Beteiligten sich zuverlässig über den Inhalt der Erklärung informieren können und erfüllt die damit verbundene Informationsfunktion, die inzwischen zu den klassischen Formzwecken hinzugetreten ist.
Zu berücksichtigen sind hierbei die rechtlichen Erfordernisse. So muss die Erklärung in einer zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise abgegeben werden und die Person des Erklärenden muss genannt werden.
Das Quittieren mittels Textform dient nicht der Beweisfunktion. Von Bedeutung ist aber, dass im Zusammenhang mit der durchgeführten Arbeit eine Zuordnung zu einem Handelnden erfolgen kann. Ein weiterer Aspekt ist die Wahrnehmung des Erklärenden, dass dieser mit seinem gewollten Erklärungsakt die ordnungsgemäße Durchführung oder den Abschluss der erbrachten Arbeitsleistung bestätigt und hierfür – zumindest aus der Sicht der Verbindlichkeit des eigenen Handelns – auch einstehen will. Schließlich ist es durch eine derartige Personalisierung möglich sich im Zusammenhang mit etwaigen Rückfragen konkret an eine bekannte, nämlich die hier handelnde Person, wenden zu können