Das Rechtsinstitut des Bestandsschutzes ist aus dem Eigentumsschutz des Art. 14 Abs.ย 1ย S.1 Grundgesetz (GG), insbesondere durch die Rechtsprechung, entwickelt worden.ย Es hat sich folgendeย Sicht auf den Bestandsschutz entwickelt:ย
Derย aktive Bestandsschutzย ist auf eine Erweiterung des vorhandenen Bestandes. Aus dem Bestehen einer baulichen Anlage sollen hiernach Ansprรผche auf Genehmigung von Folgemaรnahmen abgeleitet werden kรถnnen, die per se nach geltendem Recht nicht genehmigungsfรคhig wรคren.ย
Derย passive Bestandsschutzย verleihtย einย abwehrendesย Gegenrecht, gegenรผberย einem behรถrdlichen Anpassungsverlangen. Der Bestandsschutz schรผtztย die Gegebenheitenย gegenรผber รnderungen. In engen Grenzenย lรคsst der passive Bestandsschutzย Instandhaltungsmaรnahmen zu.ย
Formeller Bestandsschutzย resultiert aus einer wirksamen behรถrdlichen Genehmigung. Durch die Anerkennung der Rechtmรครigkeit der Errichtung und Nutzung wird bereits โnach der Papierlage die Gรผltigkeit verbrieftโ.ย
Derย materielle Bestandsschutzย ist dann gegeben, wenn die Anlage zwar nicht formell legalisiert ist, aber โzu irgendeinem Zeitpunktโ dem materiellen Recht entsprach.ย
Zu denย Voraussetzungen des Bestandsschutzesย gehรถren,ย neben der rechtmรครigen Errichtung, auch, dass die ursprรผnglich genehmigte Nutzung beibehalten wurde.ย Hier stellt sich in vielen Betrieben und Objekten die entscheidende Frage, ob hinsichtlich der Nutzung die ursprรผnglich genehmigte Nutzung beibehalten wurde oder ob wesentliche รnderungen diesbezรผglich eingetreten sind.ย Wesentliche รnderungen der Nutzungsbedingungen oder รผber die Instandhaltung hinausgehenden Sanierungs- oder Umbaumaรnahmen lassen den Bestandsschutz entfallen.ย Das bedeutet, dass รnderungen des ehemaligen Bestands selbstverstรคndlich dazu fรผhren, dass die dann jeweils geltenden neuen Anforderungen bauseitig und betriebstechnisch zu erfรผllen sind.ย ย
Zu denย Einschrรคnkungen des Bestandsschutzesย zรคhlenย konkrete Gefรคhrdungslagen fรผr Leib oder Leben. Ab dem Zeitpunkt, da eine Gefรคhrdungslage, die sich aus dem Bestand ergibt, als so konkret zu bezeichnen ist, dass nicht mit der erforderlichen Sicherheit ein Schadeneintritt grundsรคtzlich ausgeschlossen werden kann, besteht sofortiger Handlungszwang โ und dies nicht nur aus ordnungsbehรถrdlicher Sicht, sondern bereits nach den Grundsรคtzen der Verkehrssicherungspflichten.ย Verkehrssicherungspflichten bedeuten an dieser Stelle, dass der Verantwortungstrรคger fรผr die Schaffung oder Beibehaltung einer Gefรคhrdungslage (und einer Elektroinstallation wohnt zweifelsfrei eine Gefรคhrdungslage inne) sorgfรคltig zu garantieren hat, dass absehbar eintretende Schadenereignisse sich nicht verwirklichen.ย
Spรคtestens an dieser Stelle muss jedem Betreiber/Verantwortungstrรคger/ Arbeitgeber/Vermieter/etc. klar sein, dass inย jedemย Schadenfall der Juristย nach dem Vorliegen einer Gefรคhrdungsbeurteilung fragt, um dann rechtlich zu werten, ob die daraus abzuleitenden Schutzmaรnahmen Beachtung gefunden haben.ย ย
Ergibt sich aus der Gefรคhrdungsbeurteilung, dass Gefรคhrdungen durch technische Schutzmaรnahmen nach dem Stand der Technik nicht oder nur unzureichend vermieden werden kรถnnen, hat der Arbeitgeber geeignete organisatorische und personenbezogene Schutzmaรnahmen zu treffen. Technische Schutzmaรnahmen haben Vorrang vor organisatorischen, diese haben wiederum Vorrangย vor personenbezogenen Schutzmaรnahmen. Die Verwendung persรถnlicher Schutzausrรผstung ist fรผr jeden Beschรคftigten auf das erforderliche Minimum zu beschrรคnken.ย
Aus der Gesamtbetrachtung kann somit nur eine Schlussfolgerung gezogen werden.ย
Bestandsschutz ist eine statische Sicht auf den eigentumsrechtlichen Schutz einer bereits vorhandenen Betrachtungseinheit und kann nicht als Abwehrschutz gegen eine technische Anpassungspflicht greifen, wenn eine weitere Schutzmaรnahme aus der dynamischen Sicht der sicherheits-orientierten Schutzzielerreichung fachlich notwendig erscheint.ย Hieraus sind Handlungsfolgen abzuleiten, die sich entweder als bereits konkret benannte Nachrรผstpflicht aus der technischen Norm darstellt oder aber als weitere technische Schutzmaรnahme aus der entsprechenden Gefรคhrdungsbeurteilung ergibt.ย
Normwidriges Handeln ist eine gewollte oder aber zumindest grob fahrlรคssige Fehlverhaltensweise, die fรผr sich allein als Ordnungswidrigkeit buรgeldbewรคhrt geahndet werden kann und in einem Schadensfall eine haftungsbegrรผndende Kausalitรคt bedingt.ย Dasย beharrlicheย Unterlassen der Einhaltung des Stands der Technik stellt nachย ยง 26 ArbSchG per se einen Straftatbestand dar.ย
Autoren:ย Stefan Euler (VDE und VDI) Geschรคftsfรผhrer der MEBEDO Akademie GmbH und MEBEDO Consulting GmbH, Montabaur sowie geprรผfter Sachverstรคndiger Elektrotechnik des BDSH e.V.ย