Leseranfrage zum Thema VEFK und Anlagenbetreiber

09. 07.

Leseranfrage

Frage: Meine Firma installiert Elektroanlagen und IT-Systeme. Als neue VEFK für den Elektrobereich ist mir aufgefallen, dass es mehrere Führungskräfte/Teamleiter im Außendienst gibt, die keine elektrotechnische Ausbildung haben (Kaufmänner) was meiner Meinung nach im E-Betrieb nicht sein darf. Die Geschäftsleitung hat mit einem externen Berater die Lösung erarbeitet: Ich soll die Teamleiter zum Anlagenbetreiber nach VDE 0105-100:2013 bestellen und die Verantwortlichkeiten festlegen, (der Anlagenbetreiber muss ja keine Fachkraft sein), siehe Abbildung 5 vom Anfragenden. Ist das eine rechtssichere Organisation? In der VDE 1000-10 gibt es den Anlagenbetreiber nicht. Die Tätigkeiten nach Absatz 1 der VDE 1000-10 dürfen nur von einer Elektrofachkraft nach Absatz 3.1 und 3.2 durchgeführt werden > der Teamleiter bzw. die Führungskraft im E-Betrieb muss Elektrofachkraft sein … oder?

Zu beachtende Aspekte zur Beantwortung der Fragestellung:

Als Mitarbeiter eines Consulting Unternehmens welches sich hauptsächlich mit der rechtssicheren Organisation im Bereich der Elektrotechnik beschäftigt werden wir sehr häufig mit der oben gestellten Frage oder ähnlichen Anfragen konsultiert. Aus diesem Umstand möchte ich nun vorab ein paar grundlegende Aussagen zu dem Thema Organisation und Betreiber vorab erläutern, bevor ich konkreter auf die gestellt Anfrage des Lesers eingehe. Die von Ihnen genannte Norm VDE 0105-100:2013 gibt es mit diesem Ausgabedatum nicht ich gehe davon aus sie meinten Ausgabestand 2009-10. Die generelle Pflicht des Arbeitgebers zur Organisation seines Betriebes leitet sich aus dem § 3 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) ab. Hier heißt es in Absatz 2: Zur Planung und Durchführung der Maßnahmen nach Absatz 1 hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen. Diese Aussage gilt natürlich für alle Bereiche eines Betriebes, auch für den Elektrobereich, sofern dieser vorhanden ist. Speziell für die Organisation des Elektrobereiches gibt es hier noch VDE und EN- Normen, welche als Umsetzungshilfe für die gesetzlichen Vorgaben des ArbSchG angewendet werden können. Hier Sind speziell die von dem Leser bereits erwähnten Normen VDE 1000-10:2009-01 „Anforderungen an die im Bereich der Elektrotechnik tätigen Personen“ und die VDE 0105-1:2014-02 (EN 50110-1) „Betrieb von elektrischen Anlagen“, oder die noch nicht aktualisierte deutsche Fassung VDE 0105-100:2009-10 zu erwähnen. Aus der VDE 1000-10 lässt sich aus dem Anwendungsbereich ableiten, wann das Unternehmen eine verantwortliche Elektrofachkraft (VEFK) benötigt und welche Qualifikationsanforderungen an diese gestellt werden. Dies wurde bei dem Betrieb des anfragenden Lesers durch die Delegation von Unternehmerpflichten, hier für den elektrotechnischen Betriebsteil des Unternehmens gemäß § 13 ArbSchG Absatz 2 „Verantwortliche Personen“ und DGUV Vorschrift 1 § 13 „Pflichtenübertragung“, bereits durch den Unternehmer durchgeführt, da der Unternehmer selbst nicht die notwendige Fachlichkeit oder die zeitliche Ressource für die Wahrnehmung der Verantwortung besitzt.

Hinweis zur Pflichtenübertragung:

  • Die Voraussetzungen der Pflichtenübertragung sind dem § 9 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) zu entnehmen.
  • Diese Vorschrift ermöglicht es dem Unternehmer, jede ihm obliegende Pflicht grundsätzlich auf jede Person zu übertragen. Aus dem Gesichtspunkt der Aufsichtspflicht kann sich für ihn sogar die Verpflichtung ergeben, gewisse Pflichten auf andere Personen zu übertragen, nämlich dann, wenn die ihn als Inhaber des Betriebes treffenden Pflichten so zahlreich und vielschichtig sind, dass er außerstande ist, sie selbst im Einzelnen wahrzunehmen.

Weiterhin gibt es jedoch in der VDE 0105-1 (EN 50110-1) sowie in der deutschen Fassung VDE 0105-100 die Forderung einen Anlagenbetreiber für die elektrischen Anlagen zu bestellen. In der VDE 0105-1:2014-02 heißt es:

  • 3.2.1 Anlagenbetreiber Person mit der Gesamtverantwortung für den sicheren Betrieb der elektrischen Anlage, die Regeln und Randbedingungen der Organisation vorgibt. ANMERKUNG 1 zum Begriff: Diese Person kann der Eigentümer, Unternehmer, Besitzer oder eine benannte Person sein, die die Unternehmerpflichten wahrnimmt. ANMERKUNG 2 zum Begriff: Erforderlichenfalls können einige mit dieser Verantwortung einhergehende Verpflichtungen auf andere Personen übertragen werden. Bei umfangreichen oder komplexen Anlagen kann diese Zuständigkeit auch für Teilanlagen übertragen sein (Siehe auch 4.3).
  • 4.3.1 Jede elektrische Anlage muss unter der Verantwortung einer Person, des Anlagenbetreibers, stehen. Die Rolle des Anlagenbetreibers kann von einer natürlichen Person aus der eigenen Organisationseinheit oder aus einer dritten Organisationseinheit wahrgenommen werden. Im Falle einer fremden Organisationseinheit sollten der Bereich der elektrischen Anlage sowie der Zeitraum der Verantwortlichkeit mit der Benennung dokumentiert werden.

In der VDE 0105-100:2009-10 heißt es:

  • 3.2.2.101 Anlagenbetreiber Unternehmer oder eine von ihm beauftragte natürliche oder juristische Person, die die Unternehmerpflicht für den sicheren Betrieb und ordnungsgemäßen Zustand der elektrischen Anlage wahrnimmt.

In den Erläuterungen zur VDE 0105-100:2009-10 (VDE Schriftenreihe 13) wird weiterhin ausgeführt:

  • Der Anlagenbetreiber ist eine natürliche oder juristische Person, in deren Zuständigkeit die elektrische Anlage liegt. Zu den klassischen Aufgaben des Anlagenbetreibers gehört es, für seine elektrischen Anlagen z. B. durch Inspektions-, Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten, den ordnungsgemäßen und sicheren Betrieb der elektrischen Anlage zu gewährleisten. Der Anlagenbetreiber muss nicht Elektrofachkraft sein. In diesem Fall muss er durch Beauftragung einer Elektrofachkraft die aus seiner Verantwortung entstehenden Rechte und Pflichten übertragen, um den ordnungsgemäßen und sicheren Betrieb der elektrischen Anlage zu gewährleisten.

Der Gesetzgeber definiert den Begriff „Betreiber“, nach meinem Kenntnisstand, nur im Gentechnikgesetz, diese Definition ist jedoch für alle anderen Bereiche unbrauchbar.

  • Das Bundesverwaltungsgericht sagt[1]: „Das Fehlen einer gesetzlichen Definition des Begriffs Betreiber kann […] nur dahin gedeutet werden, dass der Gesetzgeber diesen Begriff für eindeutig hielt und ihn im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs verwendet wissen wollte“: Es wird eine „Tätigkeit bezeichnet. Insbesondere wenn vom Betreiben einer Maschine die Rede ist, steht für das allgemeine Sprachempfinden außer Frage, dass der tatsächliche Gebrauch und die Benutzung der Maschine gemeint sind. Betreiber ist danach derjenige, der – selbst oder durch seine Mitarbeiter – die Arbeit der Maschine steuert, sie an- und auch wieder abstellt und sie während des Betriebes überwacht. Entscheidend ist das Vorhandensein der tatsächlichen Sachherrschaft“.

Auch weitere Rechtsprechungen gehen in die gleiche Richtung. Der oberste Betreiber ist also immer der Geschäftsführer / Vorstand. Dieser kann selbstverständlich durch Delegation von Betreiberpflichten und Betreiberkompetenzen Teile seiner Betreiberpflichten weitergeben. Für die Auswahl der geeigneten (qualifizierten) Person, für die Festlegung des Aufgabenbereiches, für die Bereitstellung notwendiger Mittel und Ressourcen und für die Kontrolle seiner Delegation bleibt er jedoch weiterhin verantwortlich (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1

Quelle VDI 3810 Blatt 1.1

Was sind Betreiberpflichten?

Diese werden in der VDI 3810 Blatt 1.1 für TGA Anlagen anschaulich dargestellt (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2

Quelle VDI 3810 Blatt 1.1

Auch Abbildung 3 zeigt eine Übersicht über allgemeine und spezielle gesetzliche Betreiberpflichten.

Abbildung 3

Wie weit reicht die Betreiberverantwortung?

Die Reichweite der Betreiberverantwortung wird durch das Bild (Abbildung 4) aus der VDI 3810 Blatt 1.1 dargestellt. Hieraus ist auch ersichtlich, dass der Betreiber für die elektrotechnischen Anlagen nur ein kleiner Baustein der gesamten Betreiberverantwortung ist.

Abbildung 4

Quelle VDI 3810 Blatt 1.1

Beantwortung der konkreten Leseranfrage:

Wenden wir uns nun Ihrer gestellten Frage zu und betrachten das von Ihnen übermittelte Delegationsschema (siehe Abbildung 5), auf welches sich die Geschäftsleitung und der externe Berater berufen.

Abbildung 5

Als erstes möchte ich hier anmerken, dass es sich hier, wie der Überschrift zu entnehmen ist, um eine fachliche Delegation nach VDE 0105 handelt. Dies bedeutet:

Ebene 1 delegiert Unternehmerpflichten, die sie aus fachlichen und / oder zeitlichen Gründen nicht bewerkstelligen kann, auf ausgesuchte und hierfür qualifizierte Mitarbeiter. Achtung: Hier muss der zwingend erforderlichen Auswahlverantwortung Rechnung getragen werden. Den ausgewählten Personen müssen die entsprechenden Pflichten und Rechte übertragen werden. Der Delegierende bleibt jedoch kontrollierend weiter mit in der Verantwortung. Dies ist die sogenannte Aufsichts- und Kontrollverantwortung. Hinweis: Eine komplette Freidelegation von Verantwortung gibt es nicht!

Für den elektrotechnischen Teil der Betreiberverantwortung gibt der Betreiber (Ebene 1) diese Verantwortung an die verantwortliche Elektrofachkraft (VEFK) Ebene 2 nach VDE 1000-10 Absatz 5.3 ab. Diese muss die Voraussetzungen nach Absatz 3.1 (Elektrofachkraft (EFK) siehe Abbildung 6)

Abbildung 6

und 5.2 b oder c oder d oder e erfüllen (Techniker, Meister, Dipl. Ing., Bachelor oder Master in einem elektrotechnischen Ausbildungsgang). Nach meiner Erfahrung wird sinnvollerweise die verantwortliche Elektrofachkraft (VEFK) per Bestellung der Ebene 1 ebenfalls zum Anlagenbetreiber jedoch nur für die elektrischen Anlagen bestellt.

Die VEFK tritt dadurch mit in die Betreiberverantwortung bzgl. dem Thema Elektrosicherheit ein.

Hinweis:

Die Generalverantwortung bleibt immer beim Unternehmer!

Der verantwortliche Elektrofachkraft (VEFK) steht es nun frei die von ihr übernommenen fachlichen Aufgabengebiete, als VEFK und / oder Anlagenbetreiber, weiter zu delegieren und an mehrere geeignete und nachweislich fachlich qualifizierte Personen weiter zu verteilen (Ebene 3). Wie wir den Erläuterungen zur VDE 0105-100:2009-10 (VDE Schriftenreihe 13) entnommen haben, „[…] Der Anlagenbetreiber muss nicht Elektrofachkraft sein. In diesem Fall muss er durch Beauftragung einer Elektrofachkraft die aus seiner Verantwortung entstehenden Rechte und Pflichten übertragen, um den ordnungsgemäßen und sicheren Betrieb der elektrischen Anlage zu gewährleisten“. Die VEFK kann nur an eine qualifizierte Elektrofachkraft (EFK) Aufgaben aus ihrem Fachbereich weiter delegieren. Nicht aber an den elektrotechnisch nicht qualifizierten Anlagenbetreiber. Dieser ist durch den Unternehmer zu delegieren, da es sich nicht um eine fachliche Delegation für die Elektrotechnik handelt. Dies begründet sich auch logisch: Ein Anlagenbetreiber ohne fachliche Kenntnisse wird nicht in der Lage sein, den sicheren Zustand einer elektrischen Anlage festzustellen und diesen zu erhalten. In der Ebene 4 und 5 kommen ebenfalls nur fachlich geeignete Mitarbeiter zum Einsatz, gewöhnlich Elektrofachkraft (EFK), in Ausnahmefällen sind auch elektrotechnisch unterwiesene Personen (EuP) möglich.

Ich habe das vom Anfragenden verwendete Schema um die im Vorfeld beschriebene, aus den Regelwerken abgeleitete, Situation erweitert (siehe Abbildung 7).

Hieraus wird deutlich, dass die verantwortliche Elektrofachkraft (VEFK) nur innerhalb der vom Unternehmer delegierten Zuständigkeit, bei ihr handelt es sich um das Thema Elektrosicherheit, eine weitere Delegation vornehmen darf.

Abbildung 7

Eine vollumfängliche Beantwortung der sehr wichtigen „Rollenverteilung“

  • Anlagenverantwortlicher
  • Anlagenbetreiber
  • Arbeitsverantwortlicher

inklusive der mit der Rolle einhergehenden Aufgaben, ist im Rahmen einer Leseranfrage leider nicht möglich.

Stefan Euler

Geschäftsführer MEBEDO Consulting GmbH / Montabaur

[1] BVerwG, Urteil v. 16.12.2003 – Az. 3 C 47.02 – für ein Medizinprodukt

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Neue TRBS 1116 Qualifikation, Unterweisung und Beauftragung von Beschäftigten für die sichere Verwendung von Arbeitsmitteln

Diese Technische Regel konkretisiert die BetrSichV hinsichtlich der Anforderungen an die Qualifikation und Unterweisung von Beschäftigten, sodass sie in der Lage sind, Arbeitsmittel zu verwenden, ohne sich oder andere Personen zu gefährden, die Beauftragung von Beschäftigten für die Verwendung von Arbeitsmitteln, sofern diese mit besonderen Gefährdungen verbunden ist und die Beauftragung von Beschäftigten für die Durchführung von Instandhaltungsarbeiten.

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